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    Von: Günter Krumm | Kategorie: Aktuelles Bankrecht | Veröffentlicht am: November 14, 2023

    Zur ordentlichen Kündbarkeit von Prämiensparverträgen – BGH v. 17.10.2023 – XI ZR 72/22

    Zur ordentlichen Kündbarkeit von Prämiensparverträgen

    Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen auch dann (nur) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, wenn in der Vertragsurkunde die Sparprämie auch für Folgejahre ausdrücklich aufgeführt ist.

    Der Sachverhalt:

    Der Kläger begehrt die Feststellung des Fortbestandes eines mit der Beklagten geschlossenen Sparvertrags. Die Parteien schlossen am 31.10.2001 einen Sparvertrag mit variabler Verzinsung. In dem Vertragsformular „S PRÄMIENSPAREN flexibel“ heißt es auszugsweise wie folgt:

    „1. Sparbeiträge
    Der Sparer wird bis zum 1./15. jeden Monats/Kalendervierteljahres, beginnend am 01.11.2001, Sparbeiträge von 400,00 EUR auf das oben genannte Sparkonto einzahlen.

    3. Zinsen und Prämien
    Die Sparkasse zahlt neben dem jeweils gültigen Zinssatz, zzt. 2,500 %, am Ende eines Kalender-/Sparjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres,

    Die S-Prämie beträgt nach

    6 J 8,000%10 J 25,000%14 J 45,000%18 J 50,000%
    3 J 3,000%7 J 10,000%11 J 30,000%15 J 50,000%19 J 50,000%
    4 J 4,000%8 J 15,000%12 J 35,000%16 J 50,000%20 J 50,000%
    5 J 6,000%9 J 20,000%13 J 40,000%17 J 50,000%FJ 50,000%

    4. Beendigung des Sparvertrages
    4.1 Verfügung nach Kündigung: Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet.

    4.3 Werden die vereinbarten Sparbeiträge nicht rechtzeitig erbracht, können sie innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit nachgeholt werden. Wenn der Sparer die vereinbarten laufenden Sparbeiträge auch dann nicht erbringt, wird der Sparvertrag beendet; weitere Einzahlungen sind dann nicht mehr möglich.

    5. Ergänzende Vereinbarungen
    5.2 Die Sparkasse weist ausdrücklich darauf hin, dass ergänzend ihre derzeit geltenden Bedingungen für den Sparverkehr und ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) Vertragsbestandteil sind. Die Bedingungen hängen/liegen in den Kassenräumen zur Einsichtnahme aus. Der Kontoinhaber erhält ein Exemplar dieser Bedingungen, sofern er es wünscht.“

    Nr. 26 Abs. 1 der AGB der Beklagten enthält folgende Regelung:

    „Soweit weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart sind, können der Kunde und bei Vorliegen eines sachgerechten Grundes auch die Sparkasse die gesamte Geschäftsbeziehung oder einzelne Geschäftszweige jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.“

    Mit Schreiben vom 24.6.2019 kündigte die Beklagte den Sparvertrag unter Hinweis auf die Niedrigzinsphase mit Wirkung zum 1.10.2019. Der Kläger begehrt u.a. festzustellen, dass der Sparvertrag nicht durch die Kündigung der Beklagten beendet worden sei.

    Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurück.

    Die Gründe:

    Die Beklagte hat den Sparvertrag wirksam zum 1.10.2019 gekündigt.

    Der Sparvertrag unterliegt dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung und damit § 700 BGB in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung. Der Sparvertrag ist als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag zu qualifizieren, weil sich der Kläger gegenüber der Beklagten nicht zur Zahlung der mtl. Sparbeiträge verpflichtet hat, wohingegen die Beklagte unter den Voraussetzungen von Ziffer 4 des Vertragsformulars zur Rückzahlung der Spareinlage verpflichtet ist. Der Beklagten stand nach Erreichen der höchsten Prämienstufe ein Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu. Das Recht zur ordentlichen Kündigung aus Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen war (lediglich) bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen, jedoch nicht darüber hinaus.

    Der Sparvertrag ist auf der Grundlage der vereinbarten Prämienstaffel und der weiteren vertraglichen Bestimmungen, die der Senat als AGB selbst auslegen kann, dahin zu verstehen, dass dem Sparer das Recht zukommt, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe spart. Bis zu diesem Zeitpunkt ist für die Beklagte das ordentliche Kündigungsrecht nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des OLG haben die Parteien dagegen einen über das Ende des 15. Sparjahres hinauswirkenden Ausschluss des Kündigungsrechts nicht vereinbart.

    Teile der Instanzrechtsprechung und der Literatur gehen zwar davon aus, dass bei einer im Vertrag über die höchste Prämienstufe hinaus fortgeschriebenen Prämienstaffel der Sparanreiz nicht mit Erreichen der Höchststufe erfüllt ist, sondern für die explizit genannten Folgejahre fortbesteht und das ordentliche Kündigungsrecht der Sparkasse für diese Zeit ausschließt. Die überwiegende Ansicht nimmt demgegenüber an, dass das Kündigungsrecht nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen ist, auch wenn die anschließend konstante Prämienstaffel im Vertrag fortgeschrieben wird. Zutreffend ist die letztgenannte Ansicht.

    Die ausdrückliche Fortschreibung der Prämien über das Erreichen der höchsten Prämienstufe hinaus dient aus der Sicht eines Durchschnittskunden lediglich der Verdeutlichung der Ausgestaltung der Prämienzahlungen für die Folgejahre. Bei dem vorliegenden Prämiensparvertrag handelt es sich um einen unbefristeten Vertrag, der dem Sparer auch für die Zeit nach Erreichen der Höchststufe einen Anspruch auf entsprechende Prämienzahlungen gewährt, unabhängig davon, ob die Prämien für die Folgejahre ausdrücklich aufgeführt sind.