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    Von: Günter Krumm | Kategorie: Aktuelles Bankrecht | Veröffentlicht am: Februar 20, 2023

    Sparkasse muss Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen – LG Kiel v. 4.11.2022 – 12 O 198/21

    Sparkasse muss Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen

    Unzureichend sind nicht nur solche Informationen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind, sondern auch unrichtige Angaben. Mit dem Begriff „Zinsbindung“ kann aus Sicht des Verbrauchers nur die vertraglich vereinbarte Zinsbindung gemeint sein. Dass sich aus dem Gesetz, insbesondere aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Darlehensnehmer eine Einschränkung dieser Frist ergibt, ist für den Verbraucher nicht ohne Weiteres erkennbar.

    Der Sachverhalt:

    Die beklagte Sparkasse hatte dem Kläger mit Vertrag vom 14.12.2016 ein Immobiliar-Verbraucherdarlehen über 114.000 € gewährt. Der vereinbarte Sollzinssatz war bis zum 30.12.2031 gebunden. Im Oktober 2020 wandte sich der Kläger an die Beklagte, weil er beabsichtigte das finanzierte Objekt zu verkaufen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 2.11.2020 und führte u.a. aus:

    „Sie überlegen, ob Sie von Ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht gemäß den § 490(2) BGB Gebrauch machen und Ihre o.g. Darlehen vorzeitig zurückzahlen.
    Nach § 490 Abs. 2 S. 3 BGB sind Sie verpflichtet, der Sparkasse denjenigen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dieser vorzeitigen Kündigung entsteht (Vorfälligkeitsentschädigung). …“

    Im März 2021 verkaufte der Kläger das finanzierte Objekt. Mit Schreiben vom 11.3.2021 wandte sich der Notar, der den Verkauf abwickelte, an die Beklagte und teilte mit, dass gemäß dem Kaufvertrag das im Grundbuch zugunsten der Beklagten eingetragene Grundpfandrecht aus dem Kaufpreis abgelöst und gelöscht werden solle. Mit Schreiben vom 18.3.2021 teilte die Beklagte dem Notar den Valutastand mit und übersandte die Löschungsbewilligung zu treuen Händen. Eine Verfügung über die Löschungsbewilligung war nach dem Schreiben erst zulässig, wenn der geforderte Betrag vorbehaltlos gezahlt wurde. In dem von der Beklagten geforderten Betrag war auch eine Vorfälligkeitsentschädigung für das Darlehen i.H.v. 14.111 € enthalten.

    Mit Schreiben vom selben Tag erklärte die Beklagte zudem gegenüber dem Kläger: „auf Ihren Wunsch sollen die oben genannten Darlehen vorzeitig abgelöst werden. Sie haben damit von Ihrem gesetzlichen Kündigungsrecht gem. § 490 Abs. 2 BGB Gebrauch gemacht. Wir bestätigen Ihnen die Kündigung zum 14.04.2021.“ Der Kläger zahlte den von der Beklagten geforderten Betrag. Die Beklagte gab die Grundschuld frei. Später forderte der Kläger die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von der Beklagten zurück. Diese weigerte sich.

    Das LG gab der Klage vollumfänglich statt.

    Die Gründe:

    Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückgewähr der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1 BGB. Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ist ohne Rechtsgrund erfolgt. Die Beklagte hatte keinen Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

    Ein Anspruch der Bank ergab sich insbesondere nicht aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB. Ein Anspruch aus § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB setzt nämlich eine Kündigung des Vertrages durch den Kläger voraus. Eine Kündigungserklärung des Klägers lag hier indessen nicht vor. Der Kläger hatte das Darlehen weder ausdrücklich gekündigt, noch konnte von einer konkludenten Kündigung ausgegangen werden. Eine solche ergab sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte mehrfach in ihren Schreiben erklärt hatte, von einer Kündigung nach § 490 Abs. 2 BGB auszugehen. Die Beklagte durfte das Schweigen des Klägers darauf nicht als Kündigung verstehen. Schweigen gilt grundsätzlich nicht als Willenserklärung.

    Der Kläger hatte durch sein Verhalten auch nicht konkludent zum Ausdruck gebracht, den Vertrag kündigen zu wollen. Seine Anfrage auf Mitteilung der Ablösesumme war auch im Hinblick auf eine vorzeitige Rückführung des Darlehens nach § 502 BGB plausibel. Die Beklagte konnte nicht davon ausgehen, dass der Kläger ohne Not auf das grundsätzlich ihn als Verbraucher schützende Recht aus § 500 Abs. 2 Satz 2 BGB verzichtet. Der Kläger war gem. § 500 Abs. 2 S. 2 BGB zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens berechtigt. Der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Dies war hier der Fall.

    Ein Anspruch der Bank auf die vom Kläger gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung ergab sich auch nicht aus § 502 Abs. 1 S. 1 BGB. Danach kann der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 1 S. 1 BGB war aber nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Danach ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind. Vorliegend sind die Angaben in dem Darlehensvertrag zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft und damit unzureichend. Unzureichend sind nicht nur solche Informationen, die für den Verbraucher nicht nachvollziehbar sind, sondern auch unrichtige Angaben.

    Der Zins war nach dem Vertrag bis zum 30.12.2031 gebunden. Mit dem Begriff „Zinsbindung“ kann aus Sicht des Verbrauchers nur die vertraglich vereinbarte Zinsbindung gemeint sein. Dass sich aus dem Gesetz, insbesondere aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB für den Darlehensnehmer eine Einschränkung dieser Frist ergibt, ist für den Verbraucher nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Vorfälligkeitsentschädigung war aber nur bis zum Zeitpunkt des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB zu berechnen. Entscheidend für die Ermittlung des Zinsnachteils bei vorzeitiger Kreditbeendigung ist der Zeitraum der rechtlich gesicherten Zinserwartung. Dieser Zeitraum stimmt nicht immer mit dem vereinbarten Zinsfestschreibungszeitraum überein. Die rechtlich geschützte Zinserwartung endet immer dann, wenn der Darlehensnehmer den Darlehensvertrag durch Ausübung eines ihm zustehenden vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts, insbesondere nach § 489 BGB hätte beenden können. Dies ist bei grundpfandrechtlich gesicherten Darlehen mit einer zehnjährigen Zinsbindung nach zehn Jahren unter Einhaltung einer weiteren Kündigungsfrist von sechs Monaten, also nach 10 Jahren und sechs Monaten nach dem vollständigen Bezug des Darlehens der Fall.